c't 20/2007, S. 90: Web-Abzocke
Holger Bleich
Die Fallensteller
Websurfer-Abzocke in der rechtlichen Grauzone
Dialer und Handypayment-Maschen sind passé: Dubiose Anbieter
setzen jetzt darauf, deutschsprachige Webnutzer mit langfristigen
Abonnementverträgen in die Bezahlfalle zu locken. Sowohl Staatsanwaltschaften
als auch Verbraucherschutzorganisationen müssen dem Treiben
fast tatenlos zuschauen - ihnen fehlt die rechtliche Handhabe, weil
die Abzocker geschickt im Graubereich agieren.
Schön blöd! Mir kann sowas nicht passieren, schmunzelte
Michael P., als er in c't von einer neuen Abzockmasche im Web las.
Nur wenige Wochen später erhielt er eine seltsame Rechnung.
Er habe sich bei bei einem Angebot für Lehrstellensuchende
angemeldet. Kosten: 7,00 EUR monatlich, zahlbar 12 Monate
im Voraus. Verblüfft und ratlos wandte er sich an die
Redaktion: Mir ist nun genau das passiert, was in Ihrem Artikel
angeprangert wird: Ich ließ mir irrtümlich einen Jahreszugang
andrehen!
Es trifft zwar überwiegend die Arglosen, aber längst
nicht nur die. Das Internet ist gespickt mit gut getarnten Fallen.
Und die Lockmittel sind präzise auf die jeweilige Zielgruppe
abgestimmt: Älteren Menschen versprechen die Ganoven Kochrezepte
oder Hinweise zur Gartenbegrünung, Arbeitslosen gute Tipps
zur Stellensuche, Jugendlichen Hilfe beim Lösen der Hausaufgaben,
Singles ein Date noch heute. Sogar auf Jahreszeiten
oder Trends stellen sich die Abzocker ein. Vor Weihnachten 2006
tauchte plötzlich ein Gedichte-Server auf, eine
Sudoku-Welt gibt vor, reichhaltige Informationen zu
den gerade so beliebten Rätseln bereit zu halten.
Allen Abzockmaschen ist eines gemein: Sie bauen auf Social
Engineering. Immer geht es darum, die Aufmerksamkeit des Nutzers
erst zu wecken und dann mit Buzzwords oder Bildern zu binden; so
wird von der Falle abgelenkt. Ziel ist meist, an persönliche
Daten der User zu kommen. Die Anschrift genügt, um ihnen Rechnungen
für angeblich erbrachte Leistungen zuzuschicken.
Anders als etwa beim Phishing agieren die Fallensteller in der
rechtlichen Grauzone. Hinter Phishing-Attacken stehen meist größere
Banden von Kriminellen, die international organisiert sind. Deren
Taten sind eindeutig strafbar und werden von den Staatsanwaltschaften
in großem Umfang verfolgt. Dagegen finden die Strafverfolgungsbehörden,
ja nicht einmal die Verbraucherschutzorganisationen derzeit probate
Mittel gegen Nepper, die Webnutzern Verträge unterjubeln.
Begrenzte Aufmerksamkeit
Der Kreis der aktiven deutschen Web-Abzocker ist überschaubar
und verblüffenderweise namentlich weitgehend bekannt. Findet
sich einer der Namen im Webseiten-Impressum, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen,
auf Mahnungen oder bei Whois-Abfragen, ist Vorsicht angebracht.
Zum Beispiel Andreas und Manuel Schmidtlein: Die Büttelborner
Brüder tauchen in Verbindung mit Internetfallen seit Jahren
immer wieder auf. 2003 jubelten sie Nutzern teure Dialer unter,
2005 zogen sie Verbrauchern das Geld mit dem neuen und sofort in
Verruf geratenen Handy-Payment aus der Tasche, und aktuell sind
sie Vorreiter bei der Abonnementfallen-Methode.
Breit eingesetzt hat diese Masche Mitte 2005 erstmals die Firma
NewAdMedia von Brian Corvers mit probino.de und winow.de. Wer dort
landete und sich unter Angabe seiner Postadresse vorgeblich für
einen Gratis-Produktproben-Eintragsdienst anmeldete, schloss meist
unbemerkt ein Zweijahresabo für sieben Euro monatlich ab. Zahlte
er die Rechnung nicht, meldete sich ein Inkassoanwalt, der alsbald
mit obskuren rechtlichen Konsequenzen drohte. Der Name dieses Anwalts
aus Osnabrück lautet Olaf Tank. Als bei Corvers im hessischen
Hochheim aufgrund hunderter Strafanzeigen die Polizei vor der Tür
stand, wurde es zunächst stiller um Tank - bis er das Inkasso
für die Brüder Schmidtlein übernahm.
Schmidtlein-Angebote sind zurzeit meist zu erkennen an ...-heute.com-Domains,
etwa basteln-heute.com. Die Frontpage ist stets gleich aufgebaut,
lediglich die Anordnung der Elemente variiert von Zeit zu Zeit:
Oben und unten links findet sich eine Beschreibung der vorgeblichen
Site-Inhalte, verbunden mit einem grafischen Eyecatcher. Rechts
belehrt ein Wust von klein dargestelltem Text über die Vertragsfolgen
und das Widerrufsrecht. In der Mitte erscheint großflächig
eine Eingabemaske, in der der Nutzer seine Postadresse und E-Mail
angeben soll. Links oder rechts daneben macht ein kleiner Textblock
schließlich darauf aufmerksam, dass man mit dem Drücken
auf den Anmelden-Button angeblich ein Zweijahresabo
abschließt, das sieben Euro pro Monat kostet.
Tatsächlich werden die Schmidtlein-Opfer also auf Kosten hingewiesen.
Tatsache ist aber auch, dass die meisten Rechnungsempfänger
behaupten, nie etwas über entstehende Kosten gelesen zu haben.
Wie passt das zusammen? Eine große Rolle spielen die Erwartungshaltung
und die Gewohnheiten von Websurfern. Wer beispielsweise via Google-Suche
auf Schmidtlein-Seiten landet, rechnet nicht damit, dass die von
der Suchmaschine aufgespürten Inhalte kostenpflichtig sein
könnten - die Schutzschilde im Kopf sind heruntergefahren.
Außerdem lenken Bilder und Farben die begrenzte Aufmerksamkeit
des Surfers auf sich. Der graue Textblock wirkt da wie ein Routine-Disclaimer,
den man getrost überlesen kann. Ein Redaktionsteam von Sat1
hat in Zusammenarbeit mit dem Usability-Labor EyeSqare die Augenbewegungen
von Probanden während des Studiums von Schmidtlein-Homepages
beobachtet. Das Ergebnis war verblüffend: Auch erfahrene Vielsurfer
sahen den Kostenhinweis nicht. Kaum ein Proband konnte hinterher
sagen, ob und zu welchen Kosten er auf ein Aboangebot eingegangen
wäre.
Kein Betrug
Dass der Kostenhinweis und ein Abnicken der Allgemeinen Geschäftsbedignungen
genügt, um einen Vertragsschluss gültig werden zu lassen,
bezweifeln die meisten Juristen (siehe Artikel Seite 98 in c't 20/07).
Verbraucherschützer beobachten das Treiben der Schmidtleins
schon lange, aber ihre Handhabe ist dürftig. Im vergangenen
Jahr zwang der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) die
Gebrüder per Abmahnungen zuletzt dazu, nicht mehr mit dem Wort
gratis zu werben und den Kostenhinweis nicht am unteren
Seitenrand in grauer Minischrift zu platzieren. Dem kamen die Schmidtleins
umgehend nach. Ob die Zahl der Opfer dadurch nennenswert gesunken
ist, weiß niemand außer den Brüdern selbst.
Bei den von uns untersuchten Schmidtlein-Aboangeboten fanden wir
im Member-Bereich meist zusammenkopierte Informationen
aus frei zugänglichen Webquellen vor. Auf Lehrstellen-heute.com
beispielsweise gab es Berufsbeschreibungen, die auch auf der Website
des Bundesbildungsministeriums abrufbar sind. Obwohl die Schmidtleins
mit dieser Methode regelmäßig gegen das Urheberrecht
verstoßen dürften, ist kein Fall bekannt, in dem ein
Rechteinhaber gegen die Brüder vorgegangen wäre. Dabei
könnte gerade hier womöglich ein strafrechtlich relevantes
Vorgehen nachzuweisen sein - nämlich dann, wenn Ermittler feststellen,
dass es sich um das gewerbliche Verbreiten von urheberrechtlich
geschütztem Material handelt.
Stattdessen schlagen sich die Staatsanwaltschaften mit tausenden
Strafanzeigen von Surfern herum, die unwissentlich in die Schmidtlein-Falle
getappt sind. Weil die Brüder im hessischen Büttelborn
residieren, stapeln sich die Schreiben bei der Staatsanwaltschaft
Wiesbaden. Diese hatte vor einiger Zeit ein Paket von rund 1500
Anzeigen an die Eingreifreserve des Generalstaatsanwalts Frankfurt
übermittelt. Die Truppe steht bereit, wenn die Ermittlungsbehörden
mit Standardmaßnahmen bei Strafverfahren nicht mehr auskommen.
Sie untersuchte, ob den Schmidtleins Betrug nachzuweisen ist. Immerhin
hatten viele Geschädigte behauptet, nie ein Angebot der Brüder
gesehen und trotzdem eine Rechnung erhalten zu haben. Doch in allen
Fällen, in denen die Rückverfolgung der von den Schmidtleins
angegeben Nutzer-IP-Adressen noch möglich war, wurde laut Staatsanwaltschaft
tatsächlich von Computern der Anzeigenerstatter auf das Aboangebot
zugegriffen. In wie vielen der 1500 Fälle tatsächlich
diese Rückverfolgung möglich war, wollte die Behörde
nicht preisgeben. Viele dürften es nicht gewesen sein, weil
die großen Zugangsprovider seit geraumer Zeit IP-Adresszuordnungen
nur noch für sehr kurze Zeit vorhalten.
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt stellte ihre Ermittlungen
gegen die Schmidtleins am 30. August 2007 ein. Ein Betrug im Sinne
von vorsätzlichem Belügen der Kunden sei nicht
nachzuweisen gewesen, teilte die zuständige Oberstaatsanwältin
Hildegard Becker-Toussaint im Gespräch mit c't mit. Es sei
nun einmal nicht strafbar, schlechte oder anderswo kostenlos
erhältliche Ware zu verkaufen. Möglicherweise sei
es nicht nicht ins Bewusstsein zahlreicher Bürger gedrungen,
dass bei der Inanspruchnahme von Internetnutzung die gleiche Vorsicht
geboten ist wie beim Abschluss von schriftlichen Verträgen
im Hinblick auf das Kleingedruckte.
Drohkulissen
Überweisen die Schmidtlein-Neukunden nicht umgehend nach Erhalt
der E-Mail-Rechnung, beginnt die Einschüchterung mit dem Aufbau
einer Drohkulisse. Es meldet sich in der Regel Rechtsanwalt Olaf
Tank, der für seine Inkassotätigkeit gleich selbst noch
eine Gebühr von 39 Euro einstreichen will. Die Nennung einiger
Aktenzeichen zu Gerichtsurteilen im Mahnschreiben und auf der Homepage
des Anwalts soll belegen, dass Widerstand zwecklos ist. Es handelt
sich dabei aber lediglich um sogenannte Anerkenntnisurteile oder
Vollstreckungsbescheide.
Neben den üblichen Inkassodrohungen, beispielsweise einem
gerichtlichen Mahnbescheid bei Nichtzahlung, geht Tank bisweilen
richtig in die Vollen, um die vermeintlichen Abonnenten zum Zahlen
zu bewegen. Entgegnen diese beispielsweise, ihr minderjähriges
Kind habe nicht gewusst, dass es einen Vertrag eingehe, droht er
mit einer Strafanzeige wegen Betrugs. Dass bei unerfahrenen Kindern
aller Regel nicht von einer vorsätzlichen Leistungserschleichung
etwa durch falsche Altersangaben ausgegangen werden kann, ficht
den Anwalt offenbar nicht an.
Den Verbraucherzentralen ist kein Fall bekannt, in dem Tank tatsächlich
einen gerichtlichen Mahnbescheid gegen Schmidtlein-Opfer erwirkt
hätte, die den Vertragsschluss bestritten. Auch gerichtliche
Auseinandersetzungen meidet er. Kein Wunder, stünde doch damit
das lukrative Abofallen-Geschäftsmodell auf dem juristischen
Prüfstand. Das Landgericht München I hat im bisher einzig
bekannten Urteil zur Wirksamkeit von Abofallen immerhin entschieden,
dass so geschlossene Verträge sittenwidrig und damit nichtig
sind (siehe Artikel auf S. 98 in c't 20/07).
Ohnehin wäre wohl das Verhältnis zwischen Aufwand und
Ertrag beim Rechtsstreit um die geringe Abogebühr nicht mehr
gewährleistet. Umgekehrt ist es natürlich Teil der Masche,
dass auch die Opfer bei einer Streitsumme unter 100 Euro keinen
Rechtsanwalt konsultieren, sondern lieber zähneknirschend zahlen.
Die Anfrage von c't zu seinen Inkassomethoden ließ Tank unbeantwortet.
Trittbrettfahrer
Der offensichtliche Erfolg der Schmidtlein-Methoden rief einige
Nachahmer auf den Plan. Am besten werden diese derzeit von den Firmen
NetContent Ltd. beziehungsweise Online Content
Ltd. kopiert. Ob Routenplaner, Grußkartenversand oder
Vorlagenarchiv - die Unternehmen bieten im Abo, wonach Surfer in
Suchmaschinen oft stöbern. Ihre Fallen sind ähnlich aufgebaut
wie die der Schmidtleins, allerdings haben sich die Betreiber einiges
einfallen lassen, um juristische Gegenwehr zu erschweren.
Laut Impressum von vorlagen-archiv.com wird das Angebot von der
Online Content Ltd. bereitgestellt, die in einem Bürohaus im
britischen Berkshire residiert. Wir fragten per Mail bei der angeblichen
Chefin (Director) Katarína Dovcová nach,
ob es sich hier nicht womöglich um eine Briefkastenfirma handelt.
Sicherheitshalber richteten wir die Anfrage auch an den deutschen
Inkasso-Anwalt von Online Content, Boris Höller. Beide blieben
eine Antwort schuldig.
Frau Dovcová hat im Mai 2007 die Geschäfte vom im gleichen
britischen Bürohaus ansässigen Unternehmen NetContent
Ltd. übernommen. Dessen Director war Michael Burat
aus Frankfurt. Kurz vor der Übernahme wurde bekannt, dass der
Bundesverband Verbraucherzentralen eine Unterlassungsklage gegen
Burat am Landgericht Frankfurt eingereicht hatte. Die Klage war
nach Verhandlung Ende Juni schließlich erfolgreich, aber Burat
ja angeblich nicht mehr im Geschäft - Sanktionen laufen also
ins Leere.
Das Beispiel belegt, wie die Gruppe um Burat deutsche Verbraucherschützer
an der Nase herumführt. Der Dreh läuft über immer
neue Gründungen von britischen Limited-Firmen. Für gerade
mal 25 britische Pfund kann man via Webanmeldung und ohne große
Formalitäten eine Briefkastenfirma in jenem Bürohaus gründen,
in dem ein beträchtlicher Teil der deutschen Fallensteller
angeblich sitzt. Ideale Voraussetzungen, um Hase-und-Igel mit den
deutschen Rechtsverfolgern zu spielen.
Ungewollte Unterstützung
Jene, die teils ungewollt ihren Teil zum Erfolg der Abofallen-Masche
beitragen, können oder wollen nichts dagegen tun. Die Abzock-Domain
online-routenplaner.de etwa ist bei der deutschen Registry Denic
auf Katarína Dovcová und ihr Unternehmen Online Content
Ltd. eingetragen. Als Sitz ist hier allerdings Wiesbaden/Amöneburg
angegeben, wohl, weil der Inhaber laut Registrierungsvorschriften
in Deutschland erreichbar sein muss.
Dazu befragt, betonte Denic-Sprecher Klaus Herzig, dass es bei
der Registrierung schon eine Art Kontrolle gebe. In
den verschiedenen Eingabefeldern werde geprüft, ob
die Daten wie ein Name oder eine Adresse aussehen. Werde die
Denic auf möglicherweise falsche oder nichtexistente Adressen
aufmerksam gemacht, wenden wir uns zunächst an das zuständige
Denic-Mitglied, damit dieses dem Domaininhaber die Chance gibt,
korrekte Daten nachzutragen. Wenn nichts geschieht und man beim
besten Willen aus den Daten nicht auf eine konkrete Person schließen
kann, dann wird gelöscht, ohne eine Kündigung auszusprechen.
De facto legt die Denic also die Hürden so hoch, dass eine
Löschung in Fällen wie online-routenplaner.de fast ausgeschlossen
scheint.
Auch Google als wohl bester Zulieferer von potenziellen Opfern
der Abofallen tut sich schwer mit Gegenmaßnahmen. Zwar gelingt
es dem Suchmaschinenriesen mittlerweile gut, seinen Index vor Manipulationen
durch die Abzocker zu schützen, sodass die einschlägigen
Angebote meist nicht mehr ganz oben in den Trefferlisten auftauchen.
Das aber hilft wenig, solange Google Betreiber wie die Schmidtleins
als Werbekunden im Adwords-Programm führt.
Suchte der Surfer beispielsweise nach Songtexten, blendete
Google eine Anzeige für Schmidtleins Angebot songtexte-paradies.de
ein. Erst nach unserer Anfrage verschwand der Link. Google ist es
offenbar ein wenig peinlich, an jedem Klick auf die Reklame für
die Abofalle mitzuverdienen. Die Gebrüder Schmidtlein
sind uns ein Dorn im Auge, betonte Google-Sprecher Stefan
Keuchel. Auf die Frage, warum man ihnen dann nicht die Kündigung
ausspreche, antwortete er lediglich: Diese Möglichkeit
behalten wir uns vor.
Fazit
Die Abzocke im Web mit angeblichen Abonnementsverträgen floriert
seit geraumer Zeit, ohne das Gegenmaßnahmen fruchten würden.
Geschickt lavieren die Betreiber in der rechtlichen Grauzone. Da
sie an irgendeiner Stelle den Angebotspreis nennen, ist ihnen Vorsatz
und damit Betrug kaum nachzuweisen. Strafrechtliche Ermittlungen
verlaufen deshalb immer wieder im Sande.
Das zivilrechtliche Instrumentarium scheint auf diese Masche nur
schwer anwendbar zu sein. Die Verbraucherzentralen warnen zwar mit
harten Worten vor den dubiosen Anbietern, haben aber kaum eine Möglichkeit,
selbst rechtlich gegen sie vorzugehen. Mit einem mehrstufigen Musterverfahren
wollen die Verbraucherschützer vom Berliner vzbv derzeit eine
Gewinnabschöpfung bei den Gebrüdern Schmidtlein erreichen;
das Geld käme dann allerdings nicht den geschädigten Verbrauchern,
sondern der Staatskasse zugute. Das Verfahren ist langwierig, sein
Ausgang ungewiss.
Wer eine Rechnung über einen angeblichen Abovertrag für
Internetinhalte erhält, muss sich also selbst wehren. Er sollte
kühlen Kopf bewahren und zuerst unseren Rat gebenden Artikel
auf Seite 96 in c't 20/07 lesen. Häme ist gegenüber den
tausenden Geschädigten keinesfalls angebracht. Wer die Tricks
der Fallensteller kennt, sollte andere davor warnen. Je kleiner
der Kreis der potenziellen Opfer ist, desto weniger rentabel wird
die Abzockerei.
Dazu kann gehören, Verwandten und Bekannten klar zu machen,
dass E-Mail- und Postadressen schützenswerte Daten sind, die
keinesfalls ohne Prüfung im Web hinterlassen werden sollten.
Insbesondere die eigenen Kinder oder die Großeltern, denen
man gerade den Internetzugang eingerichtet hat, bedürfen der
Aufklärung über lauernde Gefahren. Aufmerksamkeit und
gesunder Menschenverstand bilden die wichtigste Firewall. Wer nicht
allein darauf bauen will, dem bieten wir ab Seite 102 in c't 20/07
technische Hilfestellungen an. (hob)
Seitenanfang
--------------------------------------------------------------------------------
Brauchen härtere Sanktionen
Thomas Bradler arbeitet als Jurist im Fachbereich Wirtschaftsfragen
beim Berliner Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Er
dokumentiert auf Hinweise der Verbraucherzentralen hin Rechtsverstöße
von Web-Abzockern und leitet juristische Verfahren ein. Mit c't
sprach er über seinen Kampf gegen Windmühlen.
c't: Herr Bradler, die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat
jüngst tausende Ermittlungsverfahren gehen die Büttelborner
Brüder Schmidtlein eingestellt. Es sei kein Betrug nachzuweisen
gewesen. Bei abgezockten Websurfern trifft das auf Unverständnis.
Thomas Bradler: Die Einstellung des Strafverfahrens darf in der
Öffentlichkeit nicht zu falschen Schlussfolgerungen führen.
Sie bedeutet allein, dass kein strafrechtlich relevantes Verhalten
vorliegt. Diese Bewertung ist jedoch strikt von sämtlichen
Fragen zu trennen, die eine eventuelle Zahlungspflicht des Verbrauchers
betreffen. Hierauf hat die Generalstaatsanwaltschaft auch ausdrücklich
hingewiesen. Dass die Machenschaften der Gebrüder Schmidtlein
offensichtlich nicht strafrechtlich relevant sind, ist zum Beispiel
für unsere Verfahren nicht von Bedeutung.
c't: Sie wollen ja mit Abmahnungen und Unterlassungsklagen Druck
auf die Anbieter ausüben. Aber viele der Schreiben des vzbv
können nicht einmal zugestellt werden ...
Bradler: Tatsächlich haben wir häufig Probleme mit der
Zustellung unserer Abmahnungen, insbesondere bei Anbietern einschlägiger
Angebote. Dies liegt oft daran, dass diese auf normale Briefe nicht
reagieren und eingeschriebene Briefe nicht annehmen. Zumeist ist
es aber so, dass die Anbieter ihren Hauptsitz im Ausland haben.
Dort hängt dann entweder nur ein einsamer Briefkasten oder
es lässt sich unter der Adresse gar niemand ermitteln. Dann
liegt natürlich der Verdacht nahe, dass man es mit reinen Abzockern
zu tun hat.
c't: Der Erfolg der Schmidtleins ruft Nachahmer auf den Plan, beispielsweise
das Geflecht um die NetContent Ltd. Sie hatten da wenigstens mit
einer Unterlassungsklage Erfolg. Geändert hat sich seitdem
allerdings nichts. Sind die juristischen Mittel der Verbraucherschützer
ein stumpfes Schwert?
Bradler: In der Tat stoßen wir beim Vorgehen gegen Anbieter,
die sich am Rande der Legalität bewegen, mit den derzeit zur
Verfügung stehenden Mitteln an unsere Grenzen. Ein kurzfristiges
effektives Einschreiten ist in diesen Fällen kaum möglich.
Zwar sind wir in unseren Verfahren gegen Abofallen vor Gericht bisher
ausnahmslos siegreich gewesen, geändert hat sich aber dadurch
wenig. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Teilweise
befinden sich die Verfahren in der zweiten Instanz, da die Gegenseite
Berufung eingelegt hat. Regelmäßig werden die Seiten
jedoch kurz vor dem Urteil auf ein anderes Unternehmen übertragen.
Das Urteil richtet sich also letztlich gegen jemanden, der die betroffene
Seite gar nicht mehr betreibt. Gegen den neuen Betreiber muss jedoch
erst ein neues Verfahren angestrengt werden. Die Prozedur wiederholt
sich, die Unternehmen gewinnen Zeit und vor allem das Geld der Verbraucher.
Thomas Bradler, Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
Doch selbst, wenn der Betreiber der Internetseite zwischenzeitlich
nicht wechselt, zeigen die Verfahren eklatante Schwächen des
deutschen Verbraucherschutzrechts auf, insbesondere hinsichtlich
der Rechtsfolge. Denn ein Urteil verpflichtet zwar den Betreiber,
die jeweilige Internetseite künftig zu ändern, konkrete
Folgen für bereits geschädigte Verbraucher hat es aber
nicht. Diese müssen sich gegen unberechtigte Forderungen selbst
zur Wehr setzen. Das Urteil stellt auch keine Bestrafung rechtswidrigen
Verhaltens dar, da es lediglich beschreibt, wie der Anbieter sich
zukünftig zu verhalten hat. Das ist so effektiv, wie wenn man
einen Bankräuber mit einem dicken Sack Geld laufen lässt
und ein Gericht ihm hinterher ruft: Mach das nie wieder!
c't: Was müsste sich denn Ihrer Meinung nach ändern?
Bradler: Unlauterer Wettbewerb darf sich für die Unternehmen
einfach nicht weiter lohnen. Es bedarf härterer Sanktionen
bei wettbewerbswidrigem Handeln. Dazu gehört eine erleichterte
Gewinnabschöpfung. Nach heutigem Recht müssen wir dem
Anbieter nachweisen, dass er bewusst rechtswidrig gehandelt hat.
Diese Hürde ist kaum zu überwinden. Notwendig ist daher,
dass bereits grob fahrlässiges unlauteres Handeln ausreicht.
Außerdem muss laut Gesetz die unlautere Wettbewerbshandlung
ursächlich für den erzielten Gewinn sein. Insoweit bedarf
es einer gesetzlichen Vermutung, um die Gewinnabschöpfung zu
einem wirksamen Instrument zu machen. Auch muss sich der Verbraucher
selbst wirksam gegen unlautere Machenschaften zur Wehr setzen können.
Er muss die ausdrückliche Möglichkeit haben, Verträge,
die auf Wettbewerbsverstößen basieren, aufzulösen.
"Abzocker im Web"
Artikel zum Thema "Abzocker im Web" finden Sie in der
c't 20/2007:
Das Geschäft mit den Abo-Fallen S. 90
Rechtliche Mittel gegen unseriöse Anbieter S. 98
Vorbeugen mit Blacklists und Datenfiltern S. 102
Kommentare:
Abzocke über www.gedichte - server.co... (Hannezz 11.10.2007
18:32)
c't-Leserforum zum Thema Web-Nepp (Matt Drayton 1.10.2007 11:26)
Just my two cents: Betrug wegen fehlender Aktualität (Matt
Drayton 27.9.2007 14:16)
mehr...
UNSER KOMENTAR:
|